„Seit Kriegsausbruch stehen unsere Telefone nicht mehr still“ – Mischa Zeiß und Matthias Balkenhol über die Lage bei unseren Energiekunden
Mischa Zeiß und Matthias Balkenhol arbeiten in der Abteilung Multinationals im Firmenkundengeschäft der DZ BANK. Sie sind unter anderem spezialisiert auf große Energieunternehmen in Deutschland – und haben seit Beginn des Kriegs Russlands gegen die Ukraine alle Hände voll zu tun. Im Interview erzählen sie, wie es dem Energiesektor derzeit geht, wie sehr ein Embargo die Firmen treffen würde und warum auch die DZ BANK jetzt in der Pflicht steht, Verantwortung zu übernehmen.
Was sind die zentralen Herausforderungen, vor denen unsere Firmenkunden aus dem Energiesektor derzeit stehen?
Matthias Balkenhol: Problematisch ist für die Unternehmen vor allem, dass es derzeit so viele Unsicherheiten am Markt gibt. Insbesondere zu Beginn des Krieges haben sich die Ereignisse mehrmals täglich überschlagen. Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie ihre langjährigen und bis dato gut funktionierenden Lieferketten von heute auf morgen vollständig hinterfragen und anpassen mussten und das auch weiterhin tun. Die Kohle- und Ölimporte aus Russland herunterzufahren ist den Firmen schon gut gelungen. Das russische Gas lässt sich allerdings kurzfristig nicht vollständig ersetzen.
Mischa Zeiß: Der Gaspreis ist bereits seit vergangenem Sommer stark gestiegen. Aktuell sehen wir nie zuvor dagewesene Schwankungen. Der Strommarkt ist völlig aus den Fugen geraten und auch die Strompreise sind in die Höhe geschossen. Das haben in der Form selbst Experten nicht kommen sehen. In den Handelsbereichen der Energieunternehmen entstanden durch höhere Margining-Anforderungen – also Absicherungsforderungen – enorme Liquiditätsengpässe. Mit Sorge beobachten die Firmen, dass Polen und Bulgarien bereits der Gashahn aus Russland abgedreht wurde. Sie stellen sich deshalb ebenfalls auf weitere Einschränkungen ein. Ein Versorgungsnotstand gilt unter den Energieunternehmen in Deutschland allerdings – Stand heute – als unwahrscheinlich. Entscheidend wird auch sein, wie voll die Speicher im Herbst und Winter 2022 sein werden.
Welche Lösungsstrategien haben die Firmen gegen ein drohendes Embargo?
Matthias Balkenhol: Die Firmen arbeiten zusammen mit der Politik mit Hochdruck daran, sich von russischem Gas unabhängig zu machen. Die meisten von ihnen haben bereits Abkommen mit anderen Lieferanten geschlossen, von denen sie in Zukunft mit Rohstoffen versorgt werden. Sich am Weltmarkt mit Alternativen zu russischem Öl und Gas einzudecken, bedeutet allerdings leider auch, dass die Preise zunehmend volatiler werden und Waren vorübergehend vergriffen sind. Deshalb ist klar, dass die Unternehmen jetzt versuchen, sich ausreichend Liquidität von ihren Banken zusagen lassen, um gegen weiter steigende Preise und Schwankungen abgesichert zu sein. Außerdem sprechen manche Unternehmen derzeit mit der KfW über mögliche Hilfsprogramme, auf die sie dann im Notfall zurückgreifen können.
Mischa Zeiß: Einige unserer Kunden gehen sogar noch weiter und treiben die Exploration in den nicht-russischen Gasbezugsgebieten voran – beispielsweise in den Niederlanden oder in Norwegen. Andere wiederum investieren derzeit kräftig in ihre Infrastruktur und haben den Bau neuer Flüssiggas-Terminals in Norddeutschland angestoßen. Es hilft, dass die Energieunternehmen dabei großen Rückenwind seitens der Politik erfahren: Genehmigungsverfahren wurden beschleunigt und Prozesse teilweise entbürokratisiert. Die Firmen erleben derzeit eine ganz neue Offenheit für den Ausbau der Infrastrukturen für erneuerbaren Energien. Diese neue Dynamik kann auch ein Katalysator für die Energiewende sein.
Was kann die DZ BANK tun, um die Energieunternehmen zu unterstützen?
Mischa Zeiß: Seit Kriegsausbruch stehen unsere Telefone nicht mehr still. Das hat die Zeit während der Coronakrise noch einmal übertroffen. Wir sind permanent im Austausch mit unseren Kunden. Gemeinsam evaluieren wir die Entwicklungen und prüfen den Liquiditätsbedarf der Unternehmen. Mit vielen von ihnen haben wir bestehende Verträge angepasst und Finanzierungen über das normale Maß hinaus zugesagt.
Matthias Balkenhol: Um reibungslose Prozesse gegenüber dem Kunden zu gewährleisten, ist es sehr wichtig, dass wir auch in der Bank so effizient und flexibel wie möglich arbeiten – also beispielsweise interne Absprachen, etwa mit den Kreditbereichen, zügig umsetzen. Das erfordert viel Einsatz und verlangt allen beteiligten Kollegen viel ab. Meine Beobachtung ist, dass alle mit viel Engagement und Commitment dabei sind.
Entsteht für die Bank nicht ein höheres Risiko, wenn sie den Energieunternehmen jetzt mehr Liquidität zusagt?
Matthias Balkenhol: Die bisher entstandenen Risiken sind sehr gut unter Kontrolle. Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Energiekunden profitable Unternehmen sind, die sich in den letzten Jahren wirtschaftlich gut entwickelt haben. Es braucht sehr viel, um sie ernsthaft ins Wanken zu bringen. Und wenn das passiert, dann dürfte der Wirtschaftsstandort Deutschland ganz andere Sorgen haben.
Mischa Zeiß: Abgesehen davon: Es war für uns nicht nur eine Geschäftsentscheidung, die Energiekonzerne in außerordentlichem Maß zu unterstützen. Die Unternehmen aus der Energiewirtschaft sind hochgradig systemrelevant – für eine funktionierende Wirtschaft, aber auch für private Haushalte. Im Firmenkundengeschäft sehen wir es auch ganz klar als unseren gesellschaftlichen und politischen Auftrag, als zweitgrößte Bank Deutschlands Verantwortung zu übernehmen und mit unseren Finanzierungslösungen zur Versorgungssicherheit des Landes beizutragen.