Welche Erfahrungen haben Sie als Frauen mit Karriere auf Ihrem Weg gemacht? Wie hat beispielsweise Ihr Umfeld reagiert?
Brouzi: Das war ganz unterschiedlich. Ich habe schon sehr früh beschlossen, dass ich Vorstand werden möchte und das auch formuliert – schon während meines Traineeships. Manche fanden mich arrogant oder wussten nicht damit umzugehen, andere haben sich wiederum gefreut, vor allem, als ich meinem Ziel immer näherkam. Wer immer hinter mir stand, war meine Familie. Sie hat einfach gemerkt, dass mir der Job Spaß macht und keine Belastung darstellt. Mein Wunsch, Vorstand zu werden, entsprang keiner Anspruchshaltung, so nach dem Motto, ich will das jetzt und sofort. Ich wollte einfach lernen, was es bedeutet, ein Unternehmen zu führen und die Puzzleteile zusammenfügen.
Benkredda: Die Frage ist ja, wann das mit der Karriere wirklich angefangen hat. Ich würde sagen, das war bei mir, als ich bei der Deutschen Bank gestartet bin. Damals habe ich sehr viel gearbeitet. Aus meinem sozialen Umfeld kamen viele Fragen: Willst du das denn überhaupt, du kannst doch keine Familie gründen, wenn du so lange arbeitest und so weiter. Meine Familie hat mich hingegen immer unterstützt. Im Beruf hatte ich nie das Gefühl, dass es eine Rolle spielt, dass ich eine Frau bin und so sollte es auch sein.
Es ist wichtig, Männerdomänen als solche zu entmystifizieren.
Welche Aspekte und Fähigkeiten waren für Sie hilfreich?
Brouzi: Was mir wichtig war und geholfen hat – dass ich jeden meiner Schritte gemeinsam mit meiner Familie gegangen bin. Schließlich bedeutet so eine Laufbahn immer auch für sie Veränderung. Wir waren deshalb laufend im Gespräch und haben auch nach Antritt einer neuen Rolle Erwartung und Realität miteinander abgeglichen, um sicherzugehen, dass es für uns alle passt. Diese Balance ist für mich eine Voraussetzung, damit mir meine Arbeit Spaß macht. Was außerdem hilfreich war, ist meine Fähigkeit, manche Dinge auszublenden und mich nicht mehr als nötig über irgendetwas zu ärgern. Ich denke, das ist eine wichtige Eigenschaft, um Widerstände auszuhalten und weiterzukommen.
Benkredda: Das kann ich nur unterschreiben. Dieser Blick aufs Wesentliche hat mir persönlich auch sehr geholfen und gleichzeitig die Unterstützung meiner Freunde und Familie. Bei mir war es so, dass mein Beruf so abstrakt war, dass meine Familie und teilweise auch meine Freunde nicht richtig verstanden haben, was ich eigentlich mache. Ihre Unterstützung war vom Inhaltlichen losgelöst. Sie haben mich nicht bewertet, sondern nur gesehen, der Souad macht der Job Spaß und das ist die Hauptsache. Ich habe deshalb auch nie viel über meinen Beruf geredet. Diese Trennung zwischen den Welten hat mir persönlich gutgetan.
Brouzi: Was natürlich auch essenziell war: Es gab immer Menschen, die an meine Fähigkeiten geglaubt und mich gefördert haben. Die mein Profil gesehen und mir auch mal Jobs zugetraut haben, die auf dem Papier vielleicht nicht 100-prozentig gepasst haben. Dadurch haben sie mir immer wieder auch Seitenwege eröffnet, die mich meinem Ziel nähergebracht haben.
Ich wollte einfach lernen, was es bedeutet, ein Unternehmen zu führen.
Welche Hürden sehen Sie für Frauen im Beruf und welche Hebel, die es ihnen ggf. leichter machen würden?
Benkredda: Ich würde sagen, dass manche Hindernisse oder Hebel Frauen und Männer gleichermaßen betreffen. Wenn man beispielsweise eine Familie gründet, dann geht es darum, welche Unterstützung man hat, sowohl vom Arbeitgeber als auch familiär. Kann man beispielsweise die Stunden reduzieren oder von zuhause aus arbeiten?
Nach der Geburt meiner Kinder war ich sechs Monate in Elternzeit, was relativ wenig ist, aber ich wollte das so. Ich finde es wichtig, dass es da nicht den einen Weg gibt, der für alle gilt. Die Unterstützung sollte vielmehr an die individuelle Situation angepasst sein. Gerade wenn es um so einschneidende Phasen geht, wie die Familienplanung oder wenn es den älter werdenden Eltern schlechter geht. Ich glaube, wenn man als Arbeitgeber hilft, diese Balance herzustellen, ist das eine Win-Win-Situation.
Brouzi: Ich denke auch, dass es einem die Mitarbeitenden danken, wenn man ihnen die Möglichkeit bietet, das Leben an solche Situationen anzupassen. Ich selbst war nach der Geburt meiner Kinder zuhause und habe es sehr genossen. Ich glaube, dass die Beziehung, die ich heute zu ihnen habe, immer noch aus dieser Zeit mitbegründet ist. Meinem Mann geht es genauso, er war damals auch eine Zeit zuhause. Die Beobachtung, dass junge Männer hier heute dieselben Themen haben, teile ich. Viele wollen auch eine Zeitlang mit ihren Kindern zuhause bleiben. Die Gesellschaft hat sich da verändert. Wir sind als Unternehmen Teil dieser Gesellschaft und müssen diese Veränderungen berücksichtigen.
Benkredda: Wichtig dabei ist, dass man sich auch in die Position des Gegenübers hineinversetzt. Heißt: Man sollte kommunizieren, was man möchte, aber auch überlegen, was man dem Arbeitgeber zumuten kann. Offenheit ist hier aus meiner Sicht der Schlüssel. Ich habe meinem Chef nach Geburt meiner Kinder beispielsweise offen gesagt, dass ich eine andere Aufgabe übernehmen möchte, weil ich mit kleinen Kindern nicht so viel reisen können würde. Ich wäre meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden und wollte eben auch, dass es für meinen Arbeitsgeber weiterhin gut funktioniert. Wir haben dann eine Lösung gefunden, mit der beide Seiten glücklich waren.
Was raten Sie Frauen, die im Beruf durchstarten möchten?
Brouzi: Das Wichtigste, um im Beruf erfolgreich zu sein, ist aus meiner Sicht, dass man Spaß an seiner Arbeit hat. Und vielleicht nochmal zum Thema Karriere: Karriere macht für mich auch jemand, der als Experte unendlich viel Wissen besitzt. Während wir im Management mehr über die Menschen im Unternehmen wirken, wirkt so ein Experte mit seinem Fachwissen. Dieses Wissen ist für die Umsetzung von Ideen essenziell.
Benkredda: Das sehe ich genauso. Ich habe meine Karriere nie geplant und mich immer auf das Hier und Jetzt konzentriert. Dabei habe ich mir überlegt, was mir gerade Spaß macht und das meinen Vorgesetzten auch kommuniziert. Das hilft natürlich, so eine Karriereplanung gemeinsam zu machen. Zumindest bei mir kam alles andere dann von allein.
Brouzi: Absolut. Im Nachhinein war es goldrichtig, dass ich so offen gesagt habe, dass ich Vorstand werden möchte. Manche haben mich zwar belächelt, andere haben das aufgenommen und mir Chancen gegeben, so nach dem Motto: ‚Du wolltest doch Vorstand werden, schau dir doch den Job mal an und mach dort weiter.‘ Meine Freunde, die das von Anfang an mit verfolgt haben, lachen sich kaputt, dass das wirklich so geklappt hat. Ein weiterer Aspekt aus meiner Sicht ist noch, seinen eigenen Weg zu finden, auch wenn der nicht nach Schema F verläuft.
Wie kann man Frauen auch für Männerdomänen begeistern?
Benkredda: Ich glaube, es ist wichtig, diese Männerdomänen als solche zu entmystifizieren – und zwar schon sehr früh. Zum Beispiel, indem man an Universitäten geht und die Branche bzw. eine gewisse Domäne mal in ihre Einzelteile zerlegt. Was wird da eigentlich genau gemacht? Damit fängt es aus meiner Sicht an, dass man auch diverse Gruppen anspricht. Und auch bei der Einstellung sollte man über den Tellerrand schauen und zum Beispiel auch Geisteswissenschaftler rekrutieren, die Lust haben, in der Finanzindustrie etwas zu bewegen.
Brouzi: … und weder Frauen noch Männer in irgendwelche Schubladen stecken und ihnen die Lust an etwas nehmen, was ihnen Spaß macht.