Sonderbefragung: Den Mittelstand zieht es nach Indien
- Fast 40 Prozent der Mittelständler planen eine Anpassung ihrer Lieferketten.
- 15 Prozent der Unternehmen wollen ihre Lieferketten künftig stärker in Richtung Indien ausweiten. Auch China gewinnt wieder an Bedeutung als Handelspartner – vor anderthalb Jahren wollten sich noch ebenso viele Unternehmen von dort zurückziehen wie sich dort engagieren.
- Die USA verlieren insgesamt etwas an Bedeutung. Fast jeder Zehnte will sich weniger stark in Richtung USA ausrichten.
- Europa bleibt die wichtigste Region für die Lieferketten des Mittelstands. Nach Mittel- und Osteuropa zieht es künftig jedes vierte Unternehmen.
Indien ist für den Mittelstand das interessanteste außereuropäische Land für die Neuausrichtung der Lieferketten geworden. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der DZ BANK unter mehr als 1.000 mittelständischen Geschäftsführern und Entscheidern. Viele Unternehmen haben längst erkannt, dass sie von der starken Wachstumsdynamik profitieren können. Denn die indische Wirtschaft ist 2023 nicht nur um 7,7 Prozent gewachsen. Als bevölkerungsreichstes Land der Erde könnte es auch beim Fachkräftemangel Abhilfe schaffen.
Nach den vergangenen Krisenerfahrungen planen fast 40 Prozent der Mittelständler eine Anpassung ihrer Lieferketten. 15 Prozent gaben an, dass Indien in den kommenden fünf Jahren eine größere Rolle in ihren Lieferketten spielen werde. Zum Vergleich: Im Herbst 2022 sind davon nur gut 10 Prozent ausgegangen. Vor allem große Mittelständler mit einem Jahresumsatz ab 50 Millionen Euro zieht es in das asiatische Land – beinahe jeder Vierte plant, seine Handelsbeziehungen auszubauen. Im Herbst 2022 taten dies unter ihnen nur etwa 15 Prozent.
Doch auch China hat in den Lieferketten der Mittelständler wieder an Bedeutung gewonnen. Noch im Herbst 2022 wollten sich genauso viele Firmen von dort zurückziehen wie es in das Land zog. Heute denken 17 Prozent, dass das Reich der Mitte auf Fünf-Jahres-Sicht wichtiger für das eigene Geschäft werden wird. Vor allem für den Handel und die Elektroindustrie nimmt die Bedeutung Chinas zu. Allerdings plant auch weiterhin rund jeder zehnte Mittelständler, die Handelsbeziehungen zu China in den nächsten Jahren abzubauen. Insgesamt ist die Bedeutung Chinas für die Lieferketten damit künftig geringer als die des Nachbarn aus Indien.
„Durch die breite Palette an Gütern, die günstigen Produktionskosten und nicht zuletzt die enge Verflochtenheit bleibt China ein unverzichtbarer Partner für den Mittelstand“, sagt Claus Niegsch, Branchenanalyst der DZ BANK. „Dass Indien und beispielsweise auch Südostasien zunehmend wichtiger werden, liegt vor allem daran, dass die Firmen ihre Lieferketten angesichts zunehmender politischer Unsicherheiten weiter diversifizieren wollen.“
Die USA verlieren an Glanz
Was die USA als Handelspartner anbelangt, scheint die Euphorie der Mittelständler allmählich abzuebben. Zwar ist das Land mittlerweile der wichtigste Handelspartner Deutschlands, noch vor China. Doch nur noch zwölf Prozent wollen sich in Zukunft verstärkt auf den dortigen Markt konzentrieren – vor anderthalb Jahren waren es noch 15 Prozent. Neun Prozent der Firmen wollen sich aus den USA perspektivisch sogar zurückziehen. Vor allem die Chemieindustrie hat das Interesse verloren. 14 Prozent wollen dort künftig weniger Geschäft machen – im Herbst 2022 waren es nur fünf Prozent.
Europa bleibt wichtigste Handelsregion
Trotz der zunehmenden Affinität für Übersee bleiben die europäischen Nachbarn die wichtigsten Ansprechpartner, wenn es um die Sicherung der Lieferketten geht. 21 Prozent der Firmen wollen einen Ausbau der Lieferketten in Westeuropa forcieren, in Mittel- und Osteuropa sind es sogar 24 Prozent. Damit sind es dort etwas mehr als vor anderthalb Jahren (21 Prozent). Allerdings möchte auch gut jeder Zehnte seine Lieferketten aus Europa weg verlagern. Der Mittelstand wagt sich damit zunehmend wieder aus den sicheren Häfen heraus.
Die Studie können Sie hier downloaden.
Über die Sonderumfrage
Die Daten für die Sonderumfrage wurden in der Zeit vom 5. März bis 2. April 2024 über Telefon- und Onlineinterviews erhoben. An der repräsentativen Umfrage beteiligten sich mehr als 1.000 Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer deutscher Unternehmen.