Mittelstand: Bürokratiebelastung klettert auf Allzeit-Hoch
- 82 Prozent der Mittelständler sagen, dass die steigende Bürokratie ihren Geschäftserfolg belastet. Vor sechs Monaten war das bei 75 Prozent der Firmen der Fall.
- Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ist erneut leicht gesunken. Rund zwei Drittel wollen in den nächsten Monaten in ihr Unternehmen investieren, nur 19 Prozent wollen dabei ihr Investitionsvolumen erhöhen.
- Die Bilanzqualität im Mittelstand hat sich 2023 erneut verschlechtert. Sie ist damit auf dem niedrigsten Stand seit 2012.
Für den Mittelstand ist Bürokratie zum geschäftskritischsten Problem geworden. Das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage der DZ BANK und des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) unter mehr als 1.000 mittelständischen Unternehmen. Bürokratie belastet die Unternehmen zwar schon seit Jahren. Nun hat die Sorge um sie nochmals deutlich zugenommen. Sie klettert auf den höchsten Wert seit Herbst 2013, als die DZ BANK zum ersten Mal nach den aktuellen Problemfeldern im Mittelstand gefragt hat.
„Die Studienergebnisse verdeutlichen einmal mehr, dass die regulatorischen Vorgaben und Bürokratielasten für den Mittelstand ein immer ernsteres Problem werden. Der Vorschriften-Dschungel muss gelichtet werden, um die vorhandenen Wachstumskräfte freizusetzten und den Standort Deutschland zu stärken“, so Marija Kolak Präsidentin des BVR.
So geben 82 Prozent an, dass sie zunehmende Bürokratie hemmt. Vor einem halben Jahr war dies bei knapp 75 Prozent der Firmen der Fall.
Bemerkenswert ist, dass die Angst vor steigender Bürokratie Mittelständler aller Größenklassen und aller Branchen umtreibt. Der Agrarsektor (93 Prozent) und das Ernährungsgewerbe (92 Prozent) fühlen sich besonders betroffen, aber selbst in der Chemiebranche (81 Prozent) und im Handel (80 Prozent) – also in den beiden am wenigsten betroffenen Sektoren – ächzen die Firmen in Deutschland unter den Lasten durch mehr Regeln, Vorschriften und Gesetze. Damit ist das Bürokratieproblem im Mittelstand sogar größer geworden als der Fachkräftemangel, den drei Viertel der Mittelständler beklagen. Erstmals beklagt sich auch jeder zweite Mittelständler über eine zu hohe Steuerbelastung.
Investitionsbereitschaft sinkt erneut
Und auch ein weiteres Problem gewinnt zunehmend an Bedeutung: Die Kapazitätsauslastung der Industrieunternehmen fällt seit gut einem Jahr und liegt aktuell nur noch bei rund 80 Prozent. So niedrig war die Auslastung der Unternehmen zuletzt während der Coronakrise im Sommer 2020. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Investitionsbereitschaft im Mittelstand: Sie sinkt erneut leicht auf mittlerweile 67 Prozent.
Das ist weniger als im Herbst 2020, als viele Firmen angesichts der Pandemie Investitionen zurückschraubten. Zudem liegt die Investitionsbereitschaft des Mittelstands damit unter dem langjährigen Durchschnitt von 73 Prozent. Besonders prekär angesichts des Investitionsrückstands Deutschlands: Nur 19 Prozent der Firmen planen, ihre Investitionsvolumina in den kommenden sechs Monaten auszubauen.
„Es ist gut, dass die Investitionsneigung trotz der zunehmenden Belastungen im Geschäftsalltag zumindest nicht noch weiter abgenommen hat“, sagt Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ BANK. „In den beiden vergangenen Jahren hat sie sich aber auf einem Niveau festgefahren, das angesichts des massiven Transformationsbedarfs deutlich zu niedrig ist. Das liegt daran, dass viele Mittelständler weiterhin vor allem aus einem Motiv heraus investieren: um perspektivisch Kosten zu senken.“
Der Blick in die einzelnen Branchen zeigt, dass sich die Unternehmen bei ihrer Investitionsneigung nicht einig sind. So nimmt sie beispielsweise bei Mittelständlern aus der Chemie- und Kunststoffindustrie von 71 Prozent im Herbst auf nun 80 Prozent zu und auch in der Elektrobranche (71 auf 73 Prozent) und auch im Metall-, Kfz- und Baugewerbe (68 auf 70 Prozent) dürften in den nächsten Monaten mehr Gelder in Investitionen fließen. Im Agrarsektor hingegen werden die Investitionen in den kommenden Monaten vermutlich einbrechen – nur noch etwas mehr als die Hälfte der Firmen plant zu investieren, während es vor einem halben Jahr noch zwei Drittel waren. Das ist der geringste Wert seit Herbst 2014.
Dass insbesondere energieintensive Sektoren wieder mehr investieren wollen, liegt auch daran, dass ihnen die Energiekosten weniger stark aufs Budget drücken als noch vor eineinhalb Jahren. Heute sind sie noch für knapp zwei Drittel der Unternehmen ein Problem – im Herbst 2022 beklagten sich noch fast 88 Prozent darüber. Auch teure Rohstoff- und Materialkosten stellen nur noch für jeden Zweiten ein Problem dar, während es im Herbst 2022 noch bei vier von fünf Befragten so war.
Bilanzqualität erneut verschlechtert
Die Bilanzqualität ist 2023 gegenüber dem Vorjahr erneut gesunken, nämlich um 4,2 auf 114,3 Punkte. Seit 2021 ist sie sogar um 12,2 Punkte gesunken. Damit ist sie 2023 auf dem schlechtesten Stand seit dem Jahr 2012. Diese Entwicklung hängt vor allem mit dem Indexwert des sogenannten Dynamischen Verschuldungsgrads zusammen, der seit 2022 um deutliche 25,5 Punkte gesunken ist. Die Fähigkeit, dass der Mittelstand seine Schulden aus dem Cashflow tilgt, hat damit abgenommen. Demgegenüber hat die Eigenmittelausstattung abgenommen. Die Eigenkapitalquote sank auf den schwächsten Wert seit 2018. Sie liegt aber weiterhin deutlich über den zu Beginn der 2000er Jahre markierten Ständen.
Sie können die Studie hier downloaden.
Über die Studie „Mittelstand im Mittelpunkt“
Die Daten für die VR Mittelstandsumfrage wurden in der Zeit vom 5. März bis 2. April 2024 über Telefon- und Onlineinterviews erhoben. Die Stichprobe von mehr als 1.000 Unternehmen ist repräsentativ; befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Grundlage für die VR Bilanzanalyse sind die Abschlüsse (Bilanzen und Erfolgsrechnungen), welche die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rahmen ihrer Kreditantragstellungen für die Jahre 2001 bis 2023 einreichten. Für das Jahr 2023 lagen bisher jedoch nur gut 800 Abschlüsse vor (2001 bis 2022: fast 2,5 Millionen).