Frühjahrsumfrage im Mittelstand: Unternehmen gehen mit starken Bilanzen in die Krise – weniger Preiserhöhungen erwartet
- Durchschnittliche Eigenkapitalquote im Mittelstand steigt auf 27,4 Prozent.
- Preisdruck: Nur jeder fünfte Mittelständler erwartet zu Beginn der Pandemie, Absatzpreise erhöhen zu können. 10 Prozent der Befragten rechnen sogar mit Preissenkungen.
- Nach wie vor hohe Investitionsbereitschaft: Drei Viertel der befragten Unternehmer wollen trotz wirtschaftlicher Turbulenzen in die eigene Firma investieren.
- Nachfolgeproblematik verschärft sich: Jeder dritte Mittelständler sucht in den nächsten zehn Jahren einen Nachfolger für die Geschäftsführung, bei kleinen Unternehmen sogar jeder zweite.
Der deutsche Mittelstand geht dank guter Bilanzqualität aus einer stabilen Ausgangslage in die Coronakrise. Die globale Pandemie und die damit verbundenen Unsicherheiten bereiten den Unternehmern allerdings zunehmend Kopfzerbrechen. Sie verstärken den zuvor bereits erkennbaren Trend des Wirtschaftsabschwungs deutlich und veranlassen die Mittelständler, noch wesentlich stärker Vorsicht walten zu lassen.
Das zeigt eine Studie von DZ BANK und dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), die auf einer repräsentativen Befragung unter 1.502 mittelständischen Unternehmen sowie einer Auswertung von 40.000 Jahresabschlüssen mittelständischer Firmenkunden von 2018 basiert. Demnach konnte die durchschnittliche Eigenkapitalquote von 26,9 Prozent auf 27,4 Prozent verbessert werden. Der Bilanzqualitätsindex verbleibt mit 126,8 Punkten nur knapp unter dem historischen Höchstwert von 130,1 Punkten aus dem Jahr 2016. Trotz des sich bereits vor Corona abschwächenden Wirtschaftsklimas haben die mittelständischen Unternehmen damit mehrheitlich eine solide Basis für die Zukunft geschaffen.
„Der deutsche Mittelstand zeigt sich bis zuletzt in guter betriebswirtschaftlicher Verfassung“, sagt Dr. Andreas Martin, Vorstandsmitglied des BVR. „Ich bin zuversichtlich, dass ein Großteil der Unternehmen damit sehr gute Voraussetzungen hat, die Krise zu meistern.“
Erste Auswirkungen von Corona: Pandemie hemmt höhere Absatzpreise
Dieses gute finanzielle Polster zahlt sich nun für zahlreiche Mittelständler aus. Denn: Der Befragung zufolge sehen sich im Februar und März dieses Jahres immer weniger Unternehmen dazu in der Lage, ihre Absatzpreise zu erhöhen. Während vor rund einem halben Jahr noch nahezu 30 Prozent der Befragten ihre Preise steigern konnten, können dies nun nur noch knapp 20 Prozent der Mittelständler. 10 Prozent erwarten sogar Preissenkungen. Der zuvor beobachtbare Trend zu steigenden Absatzpreisen bleibt damit insgesamt also weiterhin bestehen, wenn auch in sich abschwächender Form.
„Diese Entwicklung ist bereits auf die vor Corona spürbare Konjunkturabkühlung zurückzuführen und verschärft sich nun infolge der corona-bedingt sinkenden Nachfrage massiv“, sagt Uwe Berghaus, Firmenkunden-Vorstand der DZ BANK.
Dabei sind die Mittelständler je nach Branchen unterschiedlich betroffen: Bauunternehmen und weite Teile des Ernährungsgewerbes profitieren von einer nach wie vor relativ hohen Nachfrage, sodass die Befragten weitere Preissteigerungen mehrheitlich für realistisch halten. Mittelständler aus der Agrarindustrie sowie aus dem Metall-, Automobil- und Maschinenbau zeigen sich wenig optimistisch.
Der Blick Richtung Zukunft: Mittelständler halten an zukunftsweisenden Investitionen fest
Doch in der Frühphase der Pandemie blieben die Mittelständler mehrheitlich bei ihren Zukunftsplanungen: Investitionen in das eigene Unternehmen innerhalb der nächsten sechs Monate streben im Frühjahr fast drei Viertel der Befragten nach wie vor an. Ein Vergleich: Während der Finanzkrise 2008/09 nahmen lediglich 60 Prozent Geld für Investitionen in die Hand. „Von der grundsätzlichen Bereitschaft, weiterhin zukunftsweisende Investitionen zu tätigen, kann also auch das Virus die Mittelständler mit Blick auf die Ungewissheiten in der Zukunft nicht abbringen. Es stimmt optimistisch, dass der deutsche Mittelstand trotz Krise im Kern daran festhält, was ihn ausmacht: seine Innovationskraft“, so Berghaus.
Bereits vor Corona planten jedoch weniger Mittelständler als im Vorjahr zu investieren. Dieser Trend bestätigt sich auch für das Frühjahr 2020 – und das zum fünften Mal in Folge. Die Gründe dafür lagen zuletzt vor allem in der sich abkühlenden Konjunktur. Der pandemie-bedingte Wirtschaftsabschwung veranlasst die Unternehmer nun, weiter Vorsicht walten zu lassen. Nur etwa ein Fünftel von ihnen plant, das Investitionsvolumen im Vergleich zum vergangenen halben Jahr zu steigern.
Immer mehr Mittelständler mit Nachfolgethematik konfrontiert – Unternehmensverkauf durch Corona erschwert
Der Befragung zufolge hat sich die Nachfolgeproblematik beim deutschen Mittelstand in den vergangenen Jahren nochmals verschärft. Während sich im Herbst 2017 bereits gut ein Viertel der Unternehmer mit der Nachfolge beschäftigten, plant nun jeder dritte Befragte in den kommenden zehn Jahren einen Generationenwechsel.
„Die Auswirkungen von Corona auf die Nachfolgeprozesse sind bereits spürbar. Angesichts aktuell schwankender Unternehmensbewertungen und einbrechender Nachfrage wird es für viele Unternehmer schwieriger, ihre Firma zu einem angemessenen Preis zu verkaufen“, erklärt Uwe Berghaus. „Die zukünftige Entwicklung hängt allerdings von vielen Faktoren ab: der jeweiligen Branche, der gesamtwirtschaftlichen Erholung, der Profitabilität sowie der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells.“
Die Unterschiede zwischen den Unternehmen sind dabei groß: Besonders viele Unternehmensübergaben sind der Befragung zufolge bei kleineren Mittelständlern mit weniger als 20 Mitarbeitern zu erwarten. In dieser Unternehmensgröße steht in den nächsten zehn Jahren bei 57 Prozent ein Wechsel in der Unternehmensführung an. Unter den Unternehmen ab 200 Mitarbeitern muss nur ein Viertel zeitnah einen adäquaten Nachfolger bestimmen. Einzelne Branchen sind dabei unterschiedlich stark betroffen: Im Ernährungs- und Baugewerbe ist der Anteil mit fast 40 Prozent besonders hoch.
Rund zwei Drittel der befragten Entscheider im Mittelstand streben eine Übergabe innerhalb der eigenen Familie an. Für weitere jeweils zehn Prozent ist es denkbar, an einen oder mehrere Manager des Unternehmens oder komplett an ein anderes Unternehmen zu verkaufen. Die Veräußerung an ein externes Management – also Personen, die bislang nicht in der Firma gearbeitet haben, diese aber eigenständig weiterführen wollen – ist für etwa 7 Prozent der betroffenen Unternehmen ein realistischstes Szenario. An einen Finanzinvestor zu verkaufen, ziehen allenfalls 3,1 Prozent der Befragten in Betracht.
Über die Studie „Mittelstand im Mittelpunkt“
Die Daten für die VR Mittelstandsumfrage wurden in der Zeit vom 18. Februar bis 30. März 2020im Rahmen von Telefon- und Onlineinterviews erhoben. Die Stichprobe von 1.502 Unternehmen ist repräsentativ; befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Grundlage für die VR Bilanzanalyse sind die Jahresabschlüsse (Bilanzen und Erfolgsrechnungen), welche die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rahmen ihrer Kreditantragstellungen für die Jahre 2001 bis 2018 einreichten. Insgesamt liegen für den genannten Zeitraum rund 2,3 Millionen Abschlüsse vor.
Hier finden Sie weitere Informationen sowie die vollständige Studie "Mittelstand im Mittelpunkt"