07.02.2025

„London bleibt London“ – Gespräch über den Brexit mit Filialleiter Johannes Haas

Die DZ BANK ist bereits seit 1973 in der britischen Hauptstadt aktiv, den Londoner Standort mit heute rund 60 Mitarbeitern gibt es seit 1981. Vor zehn Jahren hat Johannes Haas dort die Leitung übernommen, nachdem er zuvor in New York und Singapur für die DZ BANK gearbeitet hat. Wir haben mit ihm über die Veränderungen durch den Brexit auf unser Geschäft, Land und Leute gesprochen.  

Johannes Haas: Filialleiter London

Wie hat sich Euer Arbeitsalltag und Euer Leben seit dem Brexit verändert? Wo sind die Veränderungen am deutlichsten spürbar?

Johannes: Mit Blick auf unser Geschäft hat sich relativ wenig verändert. Wir haben einen Teil des Portfolios nach Frankfurt transferieren müssen, verwalten den aber weiterhin. Spürbar wird heute der Brexit besonders beim Grenzübertritt oder beim Fliegen, wo man jetzt einen Pass braucht.
Auch der Import und Export bestimmter Güter ist schwieriger geworden, was vor allem unsere Kunden betrifft. Wenn englische Firmen etwas nach Deutschland exportieren wollen, bedeutet das viel Papierkram. In die andere Richtung geht es leichter, weil die Engländer gar nicht die Mittel haben, alles hundertprozentig zu kontrollieren. Die Hürden im Warenverkehr kommen also vor allem von Seiten der EU.
Für uns in der Londoner Filiale ist der größte Unterschied, dass wir keine kurzfristigen Praktika mehr umsetzen können, da Praktikanten nun ein Visum brauchen. Früher war das ganz einfach. Trotzdem haben wir uns aber bewusst dafür entschieden, weiterhin Praktikanten einzustellen, weil es sowohl für den Verbund als auch für die Altersstruktur in der Filiale wichtig ist. Das liegt mir persönlich sehr am Herzen.

Wie erlebt Ihr jetzt die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus der EU? Gibt es vermehrt bürokratische oder organisatorische Hürden, die Ihr überwinden müsst?

Nein, eigentlich nicht. Das läuft alles gut, wie vorher auch. Spontan fällt mir nur ein Hindernis ein: Die Kunst in unserer Filiale. Wir hatten Originale von Robert Longo aus der Kunststiftung DZ BANK bei uns in den Räumen hängen. Die mussten wir leider vor dem Brexit zurückschicken, sonst hätten wir Mehrwertsteuer auf den Wert der Bilder zahlen müssen, obwohl sie im Besitz der DZ BANK sind. Und das wäre teuer geworden. Jetzt hängen statt der Originale nur die Drucke an unseren Wänden, was in Ordnung ist. Für uns erscheint das trotzdem als eine sehr unsinnige Regelung.

Haben sich die beruflichen Chancen und Möglichkeiten für EU-Bürger in London seit dem Brexit eher verschlechtert oder verbessert?

Die Bedingungen haben sich eher verschlechtert, da EU-Bürger jetzt ein Visum und eine Arbeitsgenehmigung brauchen. Früher konnte man einfach rüberkommen und sich einen Job suchen. Für uns ist das in der Praxis kein Thema. Wenn wir jemanden aus Deutschland einstellen wollen, dann sponsern wir das Visum. London hat als Standort durch den Brexit auch nicht an Attraktivität verloren.  London ist London, die Stadt ist und bleibt kosmopolitisch und spannend. Da hat sich nichts verändert.
Die Auswirkungen der Brexits-Entscheidung waren zunächst am sogenannten Investment-Gap schon spürbar. Europäische Firmen investierten weitaus weniger. Aber das wird langsam wieder revidiert und wir werden bald wieder Investitionen auf Normalniveau sehen.

Der Finanzplatz London hat sich besser entwickelt, als viele prognostiziert haben. Wie wird London im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen heute wahrgenommen?

London ist nach wie vor der wichtigste Finanzplatz in Europa und bei weitem der wichtigste Kreditmarkt Europas. Die Attraktivität Londons ist ungebrochen.

Mit welchen langfristigen Auswirkungen des Brexits auf unsere geschäftlichen Aktivitäten in London rechnet Ihr noch?

Ich rechne nicht mit weiteren Auswirkungen. Das Thema Brexit ist durch. Unser Fokus liegt auf Wachstum. Nicht nur in Bezug auf unsere Kapitalmarkt-Aktivitäten, auch unser Projektfinanzierungsgeschäft läuft hervorragend. Aktuell liegt unser Projektfinanzierungsportfolio bei EUR 2,7 Milliarden in 64 Projekten. Wir haben viele neue Projekte in der Pipeline, vor allem die Erneuerbaren Energien spielen eine große Rolle. Wir sind Kompetenzzentrum für Offshore Wind für Europa und leisten damit unseren Beitrag zur Energiewende. Das gilt natürlich nicht nur für uns, sondern auch für andere Banken. London ist hier insgesamt sehr stark aufgestellt.