„Arbeitgeber bewerben sich heute bei Arbeitnehmern“ – Interview mit Oliver Best, Bereichsleiter Konzern-Personal der DZ BANK
„Personal verzweifelt gesucht“ titelte das Handelsblatt jüngst einen Beitrag über die dramatische Verknappung von Fachkräften in der deutschen Wirtschaft – und auch in der Finanzbranche. Danach droht die notwendige Besetzung von Stellen in vielen bankstrategischen Bereichen zum Engpassfaktor der nächsten Jahre zu werden. Der Fachkräftemangel geht einher mit einer Veränderung der Anforderungsprofile: IT- und ESG-Know how sind nur zwei der Kompetenzen, die für die Transformation der Branche dringend benötigt werden. Wir haben Oliver Best, Bereichsleiter Konzern-Personal der DZ BANK, gefragt, wie unser Personalmanagement mit dieser Situation umgeht und welche Veränderungen wir erleben.
Herr Best, man hört immer vom Fachkräftemangel. Fehlen uns tatsächlich Arbeitskräfte?
Natürlich spüren wir den Fachkräftemangel auch und haben deutlich mehr Aufwand in der Rekrutierung und in der Direktansprache. Wir haben unsere Rekrutierungswege frühzeitig angepasst, so dass es uns in der Regel gelingt, Professionals adäquat nachzubesetzen – auch wenn es im Einzelfall schon mal etwas mehr Geduld erfordert. Auch bei den Nachwuchskräften können wir nach wie vor eine hohe Anzahl an Bewerbungen verzeichnen. Da der Bedarf an jungen Fachkräften in allen Bereichen unverändert hoch ist, werden wir ab 2023 sogar um 40 Nachwuchskräftestellen pro Jahr aufstocken, eine Steigerung von 25 Prozent. Gerade vor dem Hintergrund, dass wir unser wachsendes Geschäft absichern müssen, werden wir zudem mit Augenmaß in den relevanten Bereichen entsprechend Stellen aufbauen. Das ist natürlich für alle Beteiligten eine Herausforderung. Denn wir suchen nicht nur für relativ viele Positionen gleichzeitig neue Kolleginnen und Kollegen, sondern es gibt in einigen Bereichen tendenziell schwer zu besetzende Stellenprofile.
Woran liegt es denn, dass wir viele offene Stellen dennoch gut besetzen können?
Bewerberinnen und Bewerber, die uns früher für zu konservativ gehalten haben, interessieren sich heute für uns. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Wir haben ein funktionierendes Geschäftsmodell und wir waren in den letzten Jahren mehrfach die ertragsstärkste Bankengruppe Deutschlands. Außerdem sind wir einer der wenigen Allfinanzanbieter und unsere Gruppe zeigt eine solide Stabilität nach außen. Trotz des Fachkräftemangels haben wir in den letzten anderthalb Jahren fast 150 Stellen in der IT besetzen können – in einem extrem engen Markt, in dem sich nicht nur Banken, sondern auch alle anderen Industrien tummeln. Wir sind hier auch erfolgreich, weil wir u.a. während der Pandemie mit offenen Stellen am Markt geblieben sind, als viele Wettbewerber eine Pause gemacht haben.
In welchen Bereichen wirkt sich der Fachkräftemangel besonders aus?
Qualifizierte Mitarbeitende für Compliance, Sustainable Banking und im Zahlungsverkehr, wie etwa die Geschäftspartnerprüfung/Know Your Customer, sind am Arbeitsmarkt heiß begehrt. Zudem sind IT-Kräfte seit vielen Jahren sehr gefragt. Aber auch im Risikomanagement und im Vertrieb sehen wir Engpässe bei der Besetzung von Stellen. Der Fachkräftemangel wirkt sich übrigens auch auf den Bereich HR aus, weil das Thema Rekrutierung eine immer stärkere strategische Bedeutung in den Unternehmen bekommt. Die Situation wird noch dadurch verschärft, dass Unternehmen aus anderen Branchen genau die Spezialisten suchen, die wir ebenfalls brauchen.
Wie rekrutieren wir heute, was hat sich verändert?
Die klassischen Stellenanzeigen spielen heute eine untergeordnete Rolle. Dafür gibt es drei große Veränderungen im Jobmarkt: Die meisten Neueinstellungen gewinnen wir über Empfehlungen von Kolleginnen und Kollegen. Zudem hat sich der Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt – das heißt, gute Fachkräfte suchen sich ihren zukünftigen Arbeitgeber selbst aus. Als drittes kommt dazu, dass Unternehmen heute direkt auf Kandidaten zugehen und sich bei ihnen bewerben – und eben nicht umgekehrt, wie wir das viele Jahre gewohnt waren. Wir nennen das Active Sourcing. Geeignete Kräfte identifizieren wir über soziale Medien wie Xing und LinkedIn und sprechen sie über diese Kanäle direkt an.
Welche Rolle spielen Bewertungsportale?
Für uns als Arbeitgeber sind Bewertungsportale wie beispielsweise kununu sehr wichtig, hier geht es vor allem um die sogenannten Soft Facts. Die DZ BANK hat gerade in den letzten Jahren positiv überzeugt und viele sehr gute Bewertungen erhalten – für potenziell Interessierte ein wichtiger Grund für ihre Bewerbung. Dass wir das mobile Arbeiten sehr modern und zukunftsweisend geregelt haben, wird insbesondere in den Foren und auf den Plattformen wahrgenommen. Auch unser genossenschaftliches Wertegerüst und welchen Stellenwert Innovation und Nachhaltigkeit für uns spielen, findet viel Zuspruch.
Wie wichtig sind Mitarbeiterempfehlungen und interne Vermittlung?
Wir besetzen heute rund 35 Prozent der Stellen über Netzwerk und das Programm „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“. Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen danken, die sich hier für die Bank engagieren und bei den Einheiten, die selbst neue Kollegen gesucht und gefunden haben. Die Bank belohnt das immerhin mit 1.000 Euro für eine erfolgreiche Vermittlung. In allen großen Gruppenunternehmen gibt es auch Karriere-Scouts, die sich speziell mit dem internen Arbeitsmarkt innerhalb der Gruppe auseinandersetzen. Zusammen mit Active Sourcing, über das wir rund 30 Prozent der Stellen neu besetzen, haben wir schon 65 Prozent der Rekrutierung. Die Übernahme von Nachwuchskräften und Praktikanten macht rund 10 Prozent aus.
Die restlichen Neubesetzungen verteilen sich auf die Direktansprache, also Berater und klassisches Head-Hunting oder Plattformen wie z.B. StepStone. Auch wenn letztere bei uns nur eine untergeordnete Rolle spielen, brauchen wir sie dennoch. Das zeigt aber insgesamt, wie wichtig die direkten Empfehlungen unserer eigenen Kolleginnen und Kollegen mittlerweile sind.