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Corona
Kapitalmarkt
13.04.2021

Handel aus dem Wohnzimmer: „Der Kunde merkt mittlerweile kaum noch einen Unterschied“

Seite an Seite sitzen und arbeiten die Kolleginnen und Kollegen der Kapitalmarktbereiche im Handelsraum dafür zusammen. Normalerweise. Doch seit Corona ist nichts mehr ‚normal‘. Der Handel, Vertrieb und das Treasury als elementare Bestandteile der Bank, mussten sich auf die neuen Gegebenheiten schnell einstellen. Vor allem regulatorisch und technisch gab es dabei anfangs große Herausforderungen.

„Die Corona-Pandemie ging in Asien los. Auch wenn niemand das gesamte Ausmaß abschätzen konnte, haben wir relativ schnell und bereits aus der Ferne erkannt, dass COVID-19 nicht in ein paar Tagen abgehakt sein würde und wir die Belegschaft in der Bank für einen längeren Zeitraum runterfahren müssen. Deshalb war für uns direkt klar: Die normalen Notfallpläne mit Ausweicharbeitsplätzen in Düsseldorf sind keine adäquate Lösung“, so Ulrich Walter, Bereichsleiter des Handels.

Während der Pandemie: Ein fast leerer Handelsraum

Schnell setzten die Verantwortlichen alle Hebel in Bewegung, um die Arbeit aus dem Homeoffice zu testen. Denn der Handel aus dem Wohnzimmer war ein bis dahin unvorstellbares Konzept gewesen. „Die Ausstattung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere derjenigen mit Handelsfunktion, ist sehr umfangreich. Die Mitarbeitenden haben jeweils bis zu sechs Monitore, spezielle Handelstelefone und leistungsfähige Systeme, die immer und schnell funktionieren müssen. Das ist erfolgskritisch“, so Walter.

„Zudem müssen die Einheiten untereinander viel kommunizieren. Gemeinsam mit der IT haben wir es aber rasch hinbekommen, dass Kolleginnen und Kollegen verschiedener Handelstische testweise gleichzeitig zu Hause arbeiten konnten. Mit weniger Monitoren zwar, aber es hat funktioniert. Natürlich musste und muss auch die IT-Sicherheit gewährleistet sein“, ergänzt Uwe Jacobsen, Abteilungsleiter Handelsplattformen & Digitale Infrastruktur. Wichtig sei bei der Umstellung gewesen, dass die unterschiedlichen Anwendungen für alle Assetklassen aus dem Homeoffice genutzt werden konnten, um alle Bereiche des Tradings abzudecken. Schließlich ist das Kapitalmarkt-Team über elektronische Plattformen wie Bloomberg mit den Kunden und Geschäftspartnern verbunden.

Ulrich Walter (links) und Uwe Jacobsen (rechts) sehen in der Pandemie einen Katalysator für künftige Geschäftsmodelle

BaFin macht es möglich: Handelsgeschäft außerhalb der Bank

Zudem sei auch die Anzahl der mehr als 400 Beschäftigten herausfordernd gewesen. Ausgehend von den erfolgreichen Tests wurde der Handel aus dem Wohnzimmer sukzessive ausgerollt. Innerhalb von nur zwei Monaten waren alle Kolleginnen und Kollegen dafür ausgestattet. Aufgeteilt in sogenannte Split-Teams, arbeitete am Anfang der Pandemie etwa zwei Drittel der Belegschaft aus dem Homeoffice. „Im Sommer, als die Lage etwas besser war, war fast die Hälfte der Händlerinnen und Händler in der Bank. Momentan sind es nur 20 Prozent“, erläutert Ulrich Walter.

Neben der Logistik musste die Verlegung der Handelsaktivtäten ins Homeoffice auch von der Aufsicht abgesegnet werden. „Vor der Pandemie durften die Institute ihren Handel nur von offiziellen Handelsräumen aus betreiben. Die BaFin hat sich aber kulant gezeigt und es wurden Voraussetzungen geschaffen, um diese Regelung zumindest vorübergehend außer Kraft zu setzen. Trotzdem mussten und müssen wir weiterhin sehr viel dokumentieren“, erklärt Uwe Jacobsen, der betont, dass die Anpassung der regulatorischen Vorgaben ein Kraftakt gewesen sei. So mussten Vereinbarungen mit der Compliance und dem Betriebsrat geschlossen und angepasst werden. In der technischen Umsetzung sei insbesondere die Implementierung der Sprachaufzeichnung komplex gewesen.

Krise stellt Weichen für die Zukunft

Im Vergleich zum Handel vor der Pandemie gebe es nun kaum mehr Unterschiede. „Wir mussten sehr viel bewegen und es war anstrengend. Insgesamt hat aber alles hervorragend funktioniert. Das zeigt auch, wie kollegial es in der Bank und in unserem Team zugeht. Jeder Einzelne hat mitgeholfen. Die Kunden merken mittlerweile kaum noch, dass wir viel Geschäft von zu Hause aus betreiben. Wichtig ist, wettbewerbsfähig zu sein und unserer Kundschaft den Service anzubieten, den sie braucht. Hierzu gehört auch, wie wir insgesamt mit der Pandemie umgehen, nämlich hochprofessionell“, betont Walter.

Die Digitalisierung mache die Bank und den Handel flexibel. Die Pandemie sei dafür ein Katalysator und habe die Weichen für die Zukunft gestellt, ist Walter überzeugt. „Corona hat vieles offengelegt und wir werden in den kommenden Monaten und Jahren sehen, welche Banken und Unternehmen anderer Branchen, ein tragfähiges Geschäftsmodell haben. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass wir ein verlässlicher Partner für die Genossenschaftsbanken sind und diese auch in schwierigen Zeiten mit ausreichend Kapital und Know-how versorgen können“, sagt der Bereichsleiter. Außerdem habe die Pandemie deutlich gemacht, wie viel Potenzial im Aktiengeschäft für Privatanlegerinnen und -anleger liegt. „Viele Menschen haben in den letzten Monaten die Aktie für sich entdeckt. Und dieser Trading-Boom zeigt sich auch bei uns – die Transaktionen sind im vergangenen Jahr um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Wir sehen, dass es 2021 bisher kontinuierlich so weitergeht“, sagt Walter. 

Ein Blick in die Glaskugel: Der Handel nach Corona

Auch wenn die Arbeit im Post-Corona-Zeitalter flexibler gestaltet werden dürfte, glaubt Ulrich Walter nicht daran, dass die aktuelle Aufteilung mit einem Homeoffice-Anteil von weit über 50 Prozent bestehen bleiben wird. „Ich glaube schon, dass der Handel zum großen Teil nach der Krise wieder aus den Handelsräumen erfolgen wird. Auch wenn wir technisch fast alles umsetzen können, ist der persönliche Austausch – das schnelle Gespräch – weiterhin wichtig und nur schwer zu ersetzen. Maßgeblich wird die Aufsicht sein, denn im Moment arbeiten wir noch mit vielen Ausnahmeregelungen.“

Trotzdem werde das Homeoffice künftig etwas ausgedehnter stattfinden. Es mache zum Beispiel Sinn, den Handel am Abend für Privatkunden von zu Hause aus zu erledigen. „So steigern wir auch unsere Attraktivität für Nachwuchskräfte.“ Denn es sei das Ziel des Bereichs den Handel weiter zu verjüngen: „Für die Krise war es gut, dass die Leute sehr erfahren sind, wir brauchen mittelfristig aber mehr Durchmischung und neue Talente.“ Auch wenn sich die Werkbank zu Hause nicht als primäres Arbeitsplatzkonzept durchsetzen dürfte, wird sie vermutlich nie mehr komplett aus unserer Bank- und Arbeitswelt verschwinden.