Hohe Kosten, Lieferkettenprobleme, weniger Investitionen: Erholung im Mittelstand auf Eis gelegt
- Trübe Stimmung im Mittelstand: Geschäftserwartungen auf dem niedrigsten Niveau seit der Finanzkrise 2008/09.
- Schuld sind hohe Preise für Energie und Vorprodukte sowie Lieferkettenprobleme.
- Kostensteigerungen führen bei jedem dritten Unternehmen zu unrentablen Geschäftsbereichen, geschädigte Lieferketten bei jedem vierten.
- Die Folge: Die Investitionsneigung im Mittelstand geht zurück. Nur noch 73 Prozent der Unternehmer wollen im nächsten halben Jahr Geld in die Firma investieren, auch die geplanten Summen werden kleiner.
- Immerhin: Eine stabile Bilanzqualität stärkt den Mittelständlern den Rücken.
Die wirtschaftliche Erholung des Mittelstands nach der Pandemie bleibt vorerst aus. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von DZ BANK und dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) unter mehr als 1.000 mittelständischen Unternehmen. Die Unternehmen haben die Coronakrise zwar mittlerweile mehrheitlich abgeschüttelt. Sie blicken allerdings mit Sorge auf die nächsten Monate. Denn der Krieg in der Ukraine hinterlässt auch im Mittelstand deutliche Spuren.
So sind die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate seit Beginn des Kriegs erneut eingebrochen. Der Saldo aus optimistischen und pessimistischen Einschätzungen der Geschäftserwartungen liegt in diesem Frühjahr bei -4. Damit ist die Stimmung deutlich schlechter als noch vor rund sechs Monaten. Derart pessimistisch waren die Mittelständler nur zu Zeiten der Finanzkrise 2008/09.
Fachkräftemangel, hohe Kosten und Lieferketten belasten den Mittelstand
Die Gründe für den Pessimismus sind vor allem massive Lieferengpässe bei Rohstoffen sowie Vor- und Endprodukten für die Produktion. Auch steigende Preise für Energie und Rohstoffe führen dazu, dass die Unternehmen derzeit eher verhalten in Richtung Zukunft blicken. Kleinere Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten zeigen sich mit einem Antwortsaldo von -12 Punkten besonders pessimistisch.
Bei rund einem Drittel der Unternehmen sorgen die gestiegenen Kosten für unrentable Geschäftsbereiche – in Ostdeutschland betrifft dies sogar fast jeden Zweiten. Insbesondere die Agrarbranche (59 Prozent) und die Ernährungsindustrie (49 Prozent) sind hiervon betroffen. Auch Lieferengpässe führen bei rund einem Viertel der Befragten derzeit zu unrentablen Geschäftsbereichen. Das bleibt nicht ohne Folgen für den Finanzierungsbedarf der Unternehmen. Knapp 20 Prozent der Mittelständler gaben an, auf eine Finanzierung angewiesen zu sein. Vor einem halben Jahr waren es lediglich 15 Prozent.
Auch die alten Sorgen sind nicht von der Agenda verschwunden. Im Gegenteil: Der altbekannte Fachkräftemangel ist mittlerweile zum geschäftskritischsten Problem im Mittelstand geworden. 83 Prozent der Befragten gaben an, nicht genügend Personal zu finden – das ist ein Allzeit-Hoch. Vor einem Jahr waren nur 73 Prozent der Unternehmen betroffen. Unter den bayerischen Mittelständlern ist die Lage besonders dramatisch: Dort sorgen sich beinahe 9 von 10 Unternehmen darum, ihre offenen Stellen nicht besetzen zu können.
Mittelständler wollen weniger investieren
Die Folgen sind besorgniserregend. Bereits jetzt geht die Investitionsneigung im Mittelstand zurück. Nur rund 73 Prozent der Befragten wollen in den nächsten Monaten in ihr Unternehmen investieren. Im Herbst planten dies noch 76 Prozent. Außerdem gab nur noch jeder Vierte an, die Investitionsvolumina erhöhen zu wollen – vor einem halben Jahr waren es noch knapp 30 Prozent. Insbesondere kleinere Mittelständler mit einem Umsatz von unter 5 Millionen Euro zeigen sich zurückhaltend.
„Die vielen Unsicherheiten im Markt führen dazu, dass die Mittelständler Liquidität im Unternehmen halten wollen“, sagt Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ BANK. „Dabei bräuchten wir eigentlich eine regelrechte Investitionsoffensive. Insbesondere beim Jahrhundertthema Nachhaltigkeit und bei technologischen Innovationen müssten die Firmen jetzt Geld in die Hand nehmen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.“
Robuste Bilanzqualität sorgt für stabile Basis
Ein Lichtblick: Trotz der Pandemie ist der Mittelstand mit einer soliden Bilanzqualität im Rücken ins Jahr 2022 gegangen. Die für das Jahr 2021 bereits vorliegenden rund 1.100 Abschlüsse von mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken legen nahe, dass der Bilanzqualitätsindex 2021 gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Punkte auf 127,1 Punkte gestiegen sein dürfte. Dazu trägt vor allem die Erholung der Gesamtkapitalrentabilität vom Einbruch des Jahres 2020 bei. Sie lag damals im Mittel bei 9,5 Prozent und dürfte 2021 auf rund 10,5 Prozent ansteigen. Die durchschnittliche Eigenkapitalquote dürfte 2021 auf ihrem 2020 erreichten Stand bei 30,0 Prozent verharren.
„Die robuste Bilanzqualität ist eine solide Ausgangslage für den Mittelstand“, sagt Dr. Andreas Martin, Vorstandsmitglied des BVR. „Sie stimmt mich optimistisch, dass die Unternehmen auch die zweite globale Krise in Folge am Ende gut meistern werden.“
Die Studie können Sie hier downloaden.
Über die Studie „Mittelstand im Mittelpunkt“
Die Daten für die VR Mittelstandsumfrage wurden in der Zeit vom 23. Februar bis 22. März 2022 im Rahmen von Telefon- und Onlineinterviews erhoben. Die Stichprobe von 1.009 Unternehmen ist repräsentativ; befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Grundlage für die VR Bilanzanalyse sind die Abschlüsse (Bilanzen und Erfolgsrechnungen), welche die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rahmen ihrer Kreditantragstellungen für die Jahre 2001 bis 2021 einreichten. Für das Jahr 2021 lagen bisher jedoch nur rund 1.100 Abschlüsse vor (2001 bis 2021: knapp 2,3 Millionen).